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Ab Juni 2025 gilt das Gesetz zur digitalen Barrierefreiheit (Accessibility) in der EU

Was ist digitale Barrierefreiheit (Accessibility)?

Digitale Barrierefreiheit bezieht sich auf die Gestaltung und Entwicklung von digitalen Produkten, wie Webseiten, elektronische Dokumente, Plattformen und deren Inhalten, die für alle Menschen zugänglich und nutzbar sein sollen, unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Einschränkungen. Dieses Konzept stellt sicher, dass alle Menschen, einschliesslich solcher mit Behinderungen oder anderen Herausforderungen, gleichermassen von den Möglichkeiten der digitalen Welt profitieren können. Barrierefreiheit hilft nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch Menschen mit temporären oder situationsbedingten Einschränkungen.

Accessibility für Digitale Produkte

Einschränkungen, bei denen digitale Barrierefreiheit (Accessibility) hilft

Die digitale Barrierefreiheit hilft Menschen mit verschiedenen Arten von Einschränkungen, indem sie digitale Inhalte, Produkte und Plattformen für sie zugänglicher macht.

  • Sehbehinderung
  • Hörbehinderung
  • Motorische Einschränkungen
  • Kognitive Einschränkungen
  • Farbenblindheit

Rechtliche Grundlagen zu Accessibility von digitalen Lösungen in der EU

Um die volle und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit besonderen Bedürfnissen für Zugänglichkeit an der Gesellschaft zu gewährleisten, wurde der European Accessibility Act (EAA) erarbeitet und ist im April 2019 in Kraft getreten. Alle Mitgliedstaaten mussten bis zum 28. Juni 2022 die erforderlichen Umsetzungsgesetze verabschieden und bis zum 28. Juni 2025 die Umsetzung der in der EAA enthaltenen Zugänglichkeitsmassnahmen sicherstellen. Das heisst, dass das Gesetz grundsätzlich für Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden, gilt und für Dienstleistungen, die nach diesem Stichtag erbracht werden. Wird dagegen verstossen, drohen hohe Bussgelder.

Was gilt in der Schweiz betreffend Accessibility?

In der Schweiz gelten folgende gesetzlichen Bestimmungen für die Barrierefreiheit von digitalen Lösungen. Der Bund hat den eCH-0059 Accessibility Standard Version 3.0 am 21.05.2021 als verbindliche Vorgabe übernommen. Diese neue Version eCH-0059 Version 3.0 stützt sich auf die international anerkannten Web Content Accessibility Guidelines WCAG 2.1 des World Wide Web Consortium W3C und nutzt ergänzend Instrumente zur Förderung von E-Accessibility, welche von der E-Accessibility-Richtlinie der EU inspiriert sind. Die WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) sind der internationale Standard für barrierefreie Web-Inhalte.

Was bedeutet nun zum Beispiel das Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) in Deutschland ab Juni 2025 für die Schweiz?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) gilt für öffentliche Stellen sowie private Unternehmen. Da auch viele Schweizer Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen in Deutschland und der gesamten EU anbieten, hat das BFSG (Deutschland) und die Gesetze anderer EU Länder auch für sie eine grosse Relevanz.

  1. Öffentliche Stellen: Alle öffentlichen Stellen, wie Behörden, Kommunen und staatliche Institutionen, müssen ihre digitalen Angebote barrierefrei gestalten. Dies umfasst Websites, mobile Anwendungen und andere digitale Dienste.
  2. Unternehmen: Das BFSG betrifft auch bestimmte private Unternehmen. Wenn ein Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen anbietet, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind, müssen sie ebenfalls die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen. Dies kann beispielsweise für Onlineshops (B2C) oder auch Dienstleistungen, die im elektronischen Geschäftsverkehr erbracht werden, z.B. Banken, Versicherungen, Verkehrsbetriebe und Telekommunikationsanbieter gelten.
  3. Ausnahmen: Es gibt einige Ausnahmen, z. B. für kleine Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern oder für Produkte und Dienstleistungen, die nicht digital sind. Dennoch sollten Unternehmen die Barrierefreiheit im Sinne der Inklusion und Chancengleichheit ernst nehmen.

Es ist wichtig zu beachten, dass das BFSG nicht nur für Websites gilt, sondern auch für mobile Apps, Software, E-Books und andere digitale Produkte. Die genauen Anforderungen variieren je nach Art des Angebots und der Zielgruppe.

Was muss bei der digitalen Barrierefreiheit beachten werden?

Die WCAG - Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 umfassen vier Prinzipien:

Wahrnehmbarkeit

Hierbei geht es um die Wahrnehmbarkeit von Inhalten. Diese müssen auch mit Einschränkungen wahrnehmbar sein. Als Beispiel sei hier Linkstyles erwähnt. Heben sich Links im Lauftext nur durch die Farbe vom restlichen Text ab, können diese bei einer Farbfehlsichtigkeit vom User nicht identifiziert werden. Mithilfe von Icons, Hintergrundflächen oder Unterstrichen werden Links zusätzlich markiert und auch für betroffene Personen erkennbar gemacht.

Bedienbarkeit

Es besagt, dass Komponenten und Navigation in User Interfaces von den Nutzern bedienbar sein müssen. Das klingt logisch und selbstverständlich. Als Erklärung fügen wir hier die Bedienbarkeit einer Webseite nur über die Tastatur an. Auch der Weg zu einem Produkt muss komplett via Keyboard erreichbar und nicht nur das Produkt selbst barrierefrei sein (zum Beispiel ein PDF Dokument).

Verständlichkeit

Inhalte und Navigation müssen für die User verständlich sein. Die Navigationsstruktur soll klar und intuitiv bedienbar sein. Texte sollen gut verständlich sein (Abkürzungen und Fachbegriffe werden erklärt) oder es können Hilfestellungen wie z.B. Erklärungen bei Formularen oder Beispieltexte bei Eingabefeldern sein.

Robustheit

Robust sind Inhalte und Daten dann, wenn sie von Usern mit unterschiedlichen technischen Voraussetzungen verwendet werden können. Diese Richtlinie gibt vor, dass für Daten eine maximale Kompatibilität mit “aktuellen und zukünftigen” User Agents, insbesondere aber assistiven Technologien (z. B. Screenreader für blinde Menschen), gegeben sein muss. Dafür soll zum einen vermieden werden, dass in der Entwicklung keine Massnahmen umgesetzt werden, die diese Technologien unbrauchbar machen oder sie umgehen. Es muss ausserdem sichergestellt werden, dass Informationen standardisiert bereitgestellt werden, damit assistive Technologien sie erkennen und richtig interpretieren können.

Dies bedeutet also, dass bei der Entwicklung Ihrer digitalen Lösungen selbst keine Hilfsmittelfunktionalitäten angeboten werden müssen. Aber die korrekte Umsetzung erfordert die Kompatibilität ihres Produktes oder Dienstleistung mit diesen assistiven Technologien.

Das sind die wichtigsten Vorteile von einer guten Accessibility von digitalen Lösungen

Vergrösserung der Zielgruppe

Digitale Barrierefreiheit ermöglicht es einer breiteren Bevölkerung, auf digitale Inhalte zuzugreifen und sie zu nutzen. Dies kann dazu beitragen, dass mehr Menschen an der digitalen Welt teilhaben können.

Verbesserte Benutzererfahrung

Digitale Barrierefreiheit trägt zu einer optimierten Benutzerfreundlichkeit (Usability) bei. Digitale Inhalte sind für alle Benutzer leichter zugänglich und verständlicher. Benutzer können eine bessere Erfahrung machen und digitale Inhalte effektiver nutzen.

Bessere Suchmaschinenoptimierung (SEO)

Digitale Barrierefreiheit kann dazu beitragen, dass digitale Inhalte besser von Suchmaschinen erkannt und indexiert werden. Dadurch kann eine bessere Visibilität und folglich eine grössere Reichweite erzielt werden.

Einhaltung von Vorschriften

Digitale Barrierefreiheit ist in vielen Ländern gesetzlich vorgeschrieben. Durch die Einhaltung dieser Vorschriften können Organisationen sicherstellen, dass ihre digitalen Inhalte für alle zugänglich sind und keine Diskriminierung aufgrund von Behinderungen oder Einschränkungen stattfindet.

Innovation

Digitale Barrierefreiheit kann dazu beitragen, dass neue Technologien und Ansätze entwickelt werden, um digitale Inhalte für alle zugänglich zu machen.

Unser Fazit

Gemäss Studie von WebAIM: The WebAIM Million - The 2024 report on the accessibility of the top 1,000,000 home pages verletzen 95,9% der Top 1000000 Homepages die WCAG Guidelines. Es besteht also noch ein erheblicher Handlungsbedarf in Bezug auf digitale Barrierefreiheit. Ein verbreitetes Missverständnis führt jedoch dazu, dass der Eindruck entsteht, dass in naher Zukunft für jede digitale Anwendung ein spezielles Bedienungskonzept für Menschen mit Behinderungen entwickelt werden muss, was enorme Zusatzkosten verursachen würde. Digitaler Barrierefreiheit geht es jedoch nicht primär darum, teure Funktionen wie Sprachausgaben, Vergrösserungssoftware oder Sprachsteuerung zu integrieren. Vielmehr geht es darum sicherzustellen, dass bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen die Kompatibilität mit assistiven Technologien gewährleistet ist. Die damit verbundenen Kosten bleiben in der Regel überschaubar. Ausserdem sollten die vielfältigen Vorteile digitaler Barrierefreiheit nicht ausser Acht gelassen werden.